Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
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Der Dezember.
Dunkler noch als die Machenschaften von TTIP, CETA und Mops Gabriel, kälter als das Herz eines toten Affen – einunddreißig endlose Tage – am Schluss ein erdolchtes Jahr, das ist die Situation in der uns Lichtbringer Egersdörfer einen Mut machen will!
Flankiert vom himmlischen Bird Berlin und der strunzdummen Carmen schenkt er uns verlorenen Seelen einen Abend des Erkenntnislichts und der Freude.
Als Experten hat er sich und uns eingeladen den sagenumwobenen Mathias Tretter.
Tretter hat 2004 mit Claus von Wagner (Neues aus der Anstalt, ZDF) und Philip Weber das erste Deutsche Zwangsensemble gegründet, hat seitdem parallel verschiedene Soloprogramme am Start. (Sehr hübscher Titel z.B. "Staatsfeind Nr. 11", von 2008.) 2010 hat er den Deutschen Kleinkunstpreis bekommen, schon 2008 den bayerischen. Außerdem ist er Mitherausgeber des Kulturportals titel-magazin.de.
Die Ansprüche von Tretter und seinen Kollegen vom Zwangsensemble wurden indes noch einmal heruntergeschraubt: "Wir wollen nicht ins Fernsehen, wir wollen in die Schulbücher", sagen sie über sich und ihre Arbeit. (Gänsefüsschen, Smiley)
Man darf also gespannt sein, was Herr Tretter aus seinem Herrenhandtäschchen zaubern wird an diesem dunklen Dienstag.
Der andere externe Kompetenzler des Abends ist Axel Pätz, über den die Presse schreibt:
"Pätz liebt die Provokation. Er spielt mit seinem Publikum Katz und Maus. Ein Mephisto im Kabarettgewand ist er. Wie es ihm gelingt, bei all den Boshaftigkeiten, die er vom Piano aus in den Saal schleudert, als großartiger Entertainer wahrgenommen zu werden, gleicht einem Geniestreich." (Hessische / Niedersächsische Allgemeine Zeitung)
"Derart perfekt mit kleinen Klavierschnörkeln den mäandernden Sprechgesang unterstützend, der außerdem noch in gesprochener Sprache – also nicht reimhaft gedrechselt – völlig absurde Alltagsgeschichten erzählt: das hat es in Deutschland nur sehr selten gegeben, seit Georg Kreisler aus Amerika zurück nach Wien gezogen ist." (SWR Liederbestenliste)
Und noch Dings, Hosianna!
Auch diesmal gibt es wieder Musik, weil bei Musik das Dopamin und Endorphin und der ganze hippe neuronale Scheissdreck so richtig in Wallung kommt, wenn homo sapiens sapiens ein bisschen mit dem Fuss wippen kann und an seine goldene Zeit an der Blockflöte denkt:
Anders, die Wildsau & die Fremdschämer sind eine noch zu gründende Kapelle aus allerlei mehr oder weniger gestandenen Persönlichkeiten... nähere Auskünfte verweigern sie leidenschaftlich... das mag an der Tatsache liegen, das Herr Anders Möhl seinen Mitmusikanten ein Weihnachtslied aufdrängt, das keiner der Kollegen je anstimmen würde – nicht nur, da es in englischer Sprache geschrieben ward.
Seine Übersetzungen ins Umgangsdeutsche werden Herrn Möhl nicht helfen, diese Besetzung zu halten. Es ist also der erste und der letzte Auftritt von Anders, die Wildsau & die Fremdschämer.
Und:
…In seinem Programm zelebriert der Fürther das Fabulieren, das Auswalzen von bisweilen irrsinnigen Geschichten mit verrückten Ideen, mit immer noch skurrileren Wendungen und maßlosen Übertreibungen. Griesgrämig bis wütend, derb im Ausdruck und gerne im Ordinären wühlend, gibt er auf der Bühne in deftigem Fränkisch den polternden Proleten – was bei einem Teil des Publikums tiefste Lachfalten, bei manchen Zuschauern aber auch Stirnrunzeln verursachte. Ein Auftritt, der zweifelsohne polarisierte… (Fränkische Nachrichten)
Erst müssen wir lange vor der großen Tür warten, und einer sagt, dass die Brötchen noch nicht geschmiert seien, weil der Frau das Glasauge herausgefallen sei und der Egersdörfer es unter die Bühne getreten habe, wo die Techniker es wieder richten müssten, aber zu guter Letzt klappt dann dann alles super, am 16. Dezember, dank Andy am Ton und Speedy am Licht und Banana an der Tür und der Frau mit dem Pferdeschwanz, der aus ihrem Steiß wächst, an der Kasse, und krass viele Menschen drängeln hinein, in den großen Saal vom Komm in Nürnberg, so dass es rappelvoll wird, weshalb dann auch das große Licht ausgeht und vier Gestalten auf die Bühne steigen und das Rattatatam-Lied klimpern, bloß ob nun Anders die Wildsau sein soll oder nicht, verrät keiner, und uns fremdzuschämen gelingt auch nicht, weil ja dann gleich der große Meister auftaucht und sich für's letzte Mal entschuldigt, wo er krank gewesen war und nicht auftreten hat können, jetzt aber spaziert er wieder durch die Auslage, die üppig gefüllt ist mit Galgenvögeln und Baumschulabsolventen, und erwischt auch prompt einen Berliner, der stolz darauf ist, so zu sprechen, als klebte ihm ein feuchter Putzlumpen im Gesicht, ehe dann Bird Berlin auf eichenschlanken Beinchen herbei hoppelt und vorträgt ein Poem über die Geräusche, die seine Lieblingslimonade verursacht, wenn sie in Birdies Bäuchlein rinnt, der dann zu singen anhebt und die Massen begeistert, bloß eröffnet nicht Philipp B. Moll den Reigen, der ist leider malad, kriegt fünf Pfund Tai-Chi-Energie in die Südstadt geschickt, damit's ihm bald wieder so gutgeht, wie dem großen Kleinkunstpreisträger M.E., der uns Einblick gewährt, wie schlimm sein Leben geworden ist, seitdem der Tatort an die Tür seiner Hinterhof-Butze klopfte, total stressend und mit geilen Weibern im Schlepp, eine rattige Bagage, die ihn bedrängt, dazu Unmengen Drogen in den höchsten Etagen, fünf Gramm zum Aufputschen und Joints zum Wiederrunterrauchen, eigentlich habe er die Nummer ganz bleiben lassen wollen, doch dann erzählt er, wie er als kleiner Bub lange Nasen malte, auf denen sich gewaltige Panzerschlachten abspielten, bis die Oma nachfragte, was es dem Hakenkreuz auf sich habe, auf den Panzern, und auch die Nachbarn stellten endlich ihre bescheuerte gute Laune ein, wenn der kleine M.C.F. Egersd. seinen Brass kriegte und sein rechtes Ärmchen erhob zum Gruß des inkarnierten Bösen, zugleich dem Buben ein "You can get it if you really want"-Gefühl bescherend, das nun den Rest seines Lebens als Laterne den Wanderweg durch die Forste seiner Wirrnis beleuchtet, und auch wenn der Meister noch dreimal behauptet, dass er nicht gut drauf sei, die Nummer ist spitzenklasse, bis B. Berlin mit seinem prunkigen Prachtkörper in den Applaus hinein wackelt und singt, vom im schwäbischen Leipzig hausenden Mathias Tretter, der seine lesbischen Fantasien auslebt, indem er den Kilt schottisch trägt, i.e. ohne Unterhose, weil sonst: Sackrileg, nebst England-Schottisch-Wales-Verwirrung, der gar nicht einfach zu folgen ist, wenn man lediglich ein schlichtes Gemüt zur Verfügung hat, denn vertrackt und Tretter sind eines, der den 3.-Reich-Sprech so hervorragend völkisch hinkriegt, dass der Saal in fetter Seligkeit schwelgt, worauf Birdy wieder säuselt, für Atze Pätz, welcher wie alle Bühnengestalten da, wo Birdy sie unter die Achsel gefasst hat, glitzert vom Feenstaub, mit dem Berlins Brust besprenkelt ist, nichtsdestoweniger bedient der Hamburger Pätz meisterhaft alles, was Tasten hat, das klassische Klavier und auch jenes für den Schiffer, doch am meisterlichsten beherrscht er ein Instrument, das in ihn hinein gebaut ist, seine Stimme nämlich, die weich, norddeutsch und bohrend ihm heraus schmettert, dem Überzeugungschansonnier, der über Spießbürger lamentiert, die irgendwas sexuelles mit dem Rasenmäher haben, über alternde Körper und pubertierende Gebrechen, ein wahrhaft schöner Blödsinn, sage ich, und da bei einem solchen Publikum das Mitsingen nicht klappt, muss M. "SpuSi-Babo" Egersdörfer eingreifen, komplett ausrasten und quasi im Alleingang die Inklusion der gaffenden Hirnzwerge in die Show vollziehen, ein kurzer Ausbruch nur, weil schon wieder Ma. Tretter vom Bi. Berlin angesungen wird, an dessen Stelle sich allerdings ein zombieskes Merkel-Wesen erigiert, das wurmstichigen Merkel-Brei auswürgt, uns zu mahnen, nicht nachzulassen im Innehalten, eine Vorschau auf den zukünftigen Rückblick, authentischer als echt, und ehe ich irgendwelche unscharfen Vergleiche ziehen kann, blinkt hinter meiner Stirn das Wort "sensationell" auf, während Grazie Bird alle in die Pause trällert.
Und wo der Egersd. derartig sotterte und über sein unzumutbares Scheißleben als Fernsehstar quengelte, fällt mir auf, dass er wie ein mit einem Zauberschrauber bewaffneter Mechaniker-Magier ist, der immer und immer wieder die komische Schraube noch eine Windung fester dreht und noch eine, aber die Schraube hält und reißt nie ab, und schon fällt das Stichwort für den Dicken im roten Hemd, der herbei tappelt und kostenlose Empfehlungen zur anstehenden Weihnacht ausgibt, wie man noch rechtzeitig und richtig hinhaut, zu Haus beim Weibe, da klatscht der Saal, Birdy singt zurück, Gymmick kriegt das Licht in die Fresse und bietet seine Kalender an wie Tofubrot, doch dann säuselt er einen auf, mit seiner Rio-Reiser-Stimme, über die Intimpiercing-Mafia und die Oma auf crystal speed, und bringt dem Geschwerdel im Saale mehr recht als schlecht bei, wie Mitsingen geht, kurz gesagt: Gymmick does his very best, und er sprintet sogar einem Doldi hinterher, der sich erdreistet, auf's Klo zu gehen, derweil Nürnbergs Spitzenbarde geschickt alle Riffe der Hochkultur umschifft, bloß was soll man schon von Leuten halten, die freiwillig zu den Artverwandten gehen?
Das allerbeste selbstverständlich, denn nur die feinsten der Feinsinnigen sind anwesend, ganz klar, und freuen sich schon auf das nächste Familientreffen im Januar, doch zuvor noch der erste Höhepunkt des Abends, das deutsche Original von "Last Christmas", weil auf Gymmick ist Verlass und Egersdörfer offenbart gerührt, dass er sich selbst befummele, während er Gymmicks Kalenderkalauer studiere, und sich selbst von Bauch bis Brust mit Leberwurst einreibe, seine Frau und den Nachbarn obendrein, nicht jedoch Axel Pätz, der nun dem absoluten Höhepunkt der Show zusteuert und die von ihm entwickelte phantastische Technik der "Triegelung" vorstellt, die ihm so schnell keiner nachmacht, worauf wiederum Tretter nachlegt und über jene Wesen referiert, die jung und ironisch sind und ein Fahrrad ohne Bremsen ihr eigen nennen, zudem sie in "Hype-zig" leben, da Berlin inzwischen "auf eine münchnerische Art düsseldorfiger ist als Stuttgart", grandios, so dass es überhaupt nichts mehr anderes getan werden kann, als den gespielten Witz zu spielen, was Meister Egersd. und der wie stets mit optischer Grausamkeit ausstaffierten Carmen wohl gelingt, und Aus! Schlussmusik!, und dabei passiert noch etwas außergewöhnliches, denn Claudia Schulz antwortet bezaubernd trällernd dem Anales verkündenden Anders Möhl, und jenseits aller Albernheit und jeden Draufgehaues blubbert ein Moment tiefen und aufrichtigen Gefühls durch's Spektakel, und als sei ein unsichtbarer kleiner Kotzteufel soeben verschreckt aus dem Saale geflüchtet, riecht es ein bisschen nach Erlösung. Vielleicht aber auch nur nach Steinpilzen, wie jemand anderes meint.