Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
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Bevor der Sommer uns das lästige Resthirn wegbrennt, lädt unser geliebter Herr Egersdörfer am 13. Mai noch ein letztes Mal vor Hitzefrei zum Artverwandtentreffen.
Gewohnt unterwürfig und mit stolzgeschwellltem Bauch begrüßt er diesmal Frau Käthe Lachmann und die Herren Christoph Theussl und Ivo Lotion.
Außerdem für einen exklusiven Gastvortrag angereist ist der Experte für Malokkanische Kunst, der über die in Kürze anstehende Welturaufführung des cineastischen Juwels "DIE PINKE ENTRÜCKUNG - Pilgerreise eines gescheiterten Hirten" berichten wird. (15. 5. im Riopalast Nürnberg)- Selbstverständlich hat der Malokkanische Botschafter einen kleinen Trailer im Gepäck...
Witzgespielin Carmen hat ihre blaue Bluse schon an und Bird Berlin suhlt sich seekuhgleich im Glitterbad, bis es heisst: Egersdörfer und Artverwandte am 13.5. im Künstlerhaus.
Die Wahlhamburgerin Lachmann kommentiert unaufgeregt mit feinsinnigem Witz und äußerst wandelbarer Stimme, was ihr in der Welt begegnet. Aus ihrer und unserer Welt meißelt sie behutsam die Absurditäten des menschlichen Alltags heraus und schlüpft gleichermaßen mühelos in die Rolle einer genervten Hinterglasmalerin, eines hanseatischen Prolls oder eines vergnügten Chefs beim Entlassungsgespräch. Mit größtem Vergnügen und leidenschaftlicher
Ganzkörpercomedy gönnt die mehrfach preisgekrönte Komikerin (NDR-Comedypreis, Prix Pantheon, Deutscher Kabarettpreis-Förderpreis) sich und auch uns Blödeleien und durchdachten Quatsch.Vergessen Sie Yoga, Bungeespringen und vergorene Getränke!
Christoph Theussl, tja, wo soll man da anfangen?! Am besten bei seiner Schauspielausbildung, die ihn u.a. ins Burgtheater Wien oder zum Deutschen Theater Berlin geführt hat, bevor der – in der Steiermark gebürtige – begnadete Bänkelsänger und Komödiant begonnen hat, seine eigenen Lieder auf der Bühne zu präsentieren. Seit 2012 ist Theussl das dritte Stammmitglied der Lesebühne „Schwabinger Schaumschläger“ (neben Moses Wolff und Michi Sailer), die wöchentlich im Münchner Vereinsheim stattfindet. Wer den österreichischen Film mag, hat ihn vielleicht in der Hauptrolle des Kinofilms „KOTSCH“ (2006) gesehen. Außerdem, lassen sie mich das kurz hinzufügen, macht Theussl Radio, war Mitglied der wilden Künstlergruppe Club Real und hab ich eigentlich schon gesagt, dass er eine wunderschöne Stimme hat?
Ivo Lotion aus Berlin kommt auf seinen Händen nach Nürni gelaufen um uns einige kleine Texte und geheimnisvolle Songs zu Gehör zu bringen. Und weil die ja sowieso alle unter einer Decke stecken, vielleicht singt er mit dem Herrn Teussl zusammen, meint er. Wir sind gespannt. (Foto: Kirsten Weingarten)
…In seinem Programm zelebriert der Fürther das Fabulieren, das Auswalzen von bisweilen irrsinnigen Geschichten mit verrückten Ideen, mit immer noch skurrileren Wendungen und maßlosen Übertreibungen. Griesgrämig bis wütend, derb im Ausdruck und gerne im Ordinären wühlend, gibt er auf der Bühne in deftigem Fränkisch den polternden Proleten – was bei einem Teil des Publikums tiefste Lachfalten, bei manchen Zuschauern aber auch Stirnrunzeln verursachte. Ein Auftritt, der zweifelsohne polarisierte… (Fränkische Nachrichten)
Und natürlich beehrt uns auch der Herr Moll wieder und wir dürfen gespannt sein, ob er uns tadeln, belehren, erbauen oder richten wird. Wahrscheinlich genau in dieser Reihenfolge.
Des Vögleins Federn sind gestutzt. Stampfende Beats erbeben die Tanzfläche und lassen die fanatischen Füße schreiend kreischen "will mich nicht bewegen - muss mich bewegen!" Schwitzen - Extase - Lust! In genau dieser Reihenfolge. In genau dieser Intensität. Maskuline Musikorgasmen beapen ins Ohr. Ein Gefühlsrausch durchs dichte digitale Disco Dunkel, erhellt von Lichtbrechungen an Spiegeln und Menschen, die Schönheit in Erotik verwandeln.
Carmen Schulz, die nur mit einer Geburtszange auf diese Welt gezwungen werden konnte, verlebte eine traurige und schmerzhafte Kindheit in einer Klosterschule. Dort hauste sie von den Nonnen geduldet im Klosterkeller, da ihre leiblichen Eltern den Anblick ihrer Tochter nicht länger im eigenen Hause ertragen konnten. O-Ton Mutter: „Schon als ich sie das erste Mal sah, war mir klar, das ich dieses Kind niemals lieben werden kann.“
Wer behauptet, öffentliche Äußerungen mit informativem oder kommentierendem Charakter über Urlaub, die Reiseindustrie oder deren Begleiterscheinungen seien dekadent, oberflächlich und sowieso westzentristisch, der hat vielleicht von anderen Dingen Ahnung, doch nur bedingt recht. Denn die anwesenden Artverwandten beehrten das Lieblingsthema des deutschen Prekariats in bald überfließendem Maße mit ihrer Aufmerksamkeit.
Für tropische Stimmung sorgt zu Beginn schon Bird Berlin, der schönste halbnackte Mensch Nürnbergs, der den Paradiesvogel in rot und gelb gibt. „Ein Bird Bild für das Urlaubsalbum“, phantasiert da der Zuschauer vor sich hin und nuckelt verträumt an seinem Eistee. Da schießt schon der Gastgeber E. in Animateurenmanier auf die Bühne und reißt den armen Phantasten aus seinem Tagtraum, in welchem, durch wilde Assoziationen aus Bird Berlin und Eis Tee ein Eisvogel und ein Berlin-Tee geworden sind. Oh, du ungefragt stimulierendes Halbdunkel des Zuschauerraums, verflucht seist du.
Der Animateur jedenfalls erteilt der Frühjahrsmüdigkeit eine Absage und jagt zu diesem Zweck seine devote Bühnenpartnerin Claudia ((Carmen Schulz) oder andersherum) ans Mikrophon, welche auch schon einen Hochgesang über die unbegrenzten Urlaubsmöglichkeiten durch die Existenz von Kreuzfahrtschiffen anstimmt. Auch der sog. Wendler wird genannt in diesem besinnungslosen Sermon über die Eventtourismus-Industrie und als dieser Redefluss in einer zugegebenen diarrhoeischen Erinnerung vom Bayerischen Wald mündet, erfreut man sich gemeinsam am ersten Gast des Abends, nämlich am Philipp, dem Moll.
Jener hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, dem Philipp, also sich selbst und der Restmenschheit die Welt in liebevoll geklöppelten Polemiken zu erklären und tiefste, unerforschte Zusammenhänge aufzudecken, wie zum Beispiel den der Physiognomie natürlich komischer Tiere (Hummel, Seegurke) mit der Existenz a) des Fichtelgebirges und b) einer Ilse Aigner. Am Ende von Molls „Trimm-Dich-Pfads der Exegese“ wartet auf den Philipp und die Restmenschheit die verblüffend einfache Erklärung: wenn ein Schöpfer, so Moll, derart degeneriert ist, dass er komödiantische Meisterwerke wie die Hummel erfindet, dann braucht man sich über so was wie eine Aigner nicht wundern. So einfach ist die Erklärung. Da klatscht selbst der anwesende Bürgermeister verzückt in die Hände und wundert sich über so viel inkarnierte Schlauheit, wie der Herr Moll halt derer eine ist.
Schlau ist auch Christoph Theussl, der auch Gast ist und sich auszeichnet durch eine blaue Gitarre. Passend dazu hat er einen blauen Stuhl mitgebracht, auf welchem er ganz zurechtgemacht aussieht. Christoph Theussl kommt ursprünglich aus Österreich, das kaschiert er jedoch geschickt durch seinen Hauptwohnsitz München. Dort ist er aktiver Theater- und Filmschauspieler (Helmut Köpping machte ihn 2006 – das war aber noch in Österreich – mit seinem guyritchieesken „Kotsch“ über Nacht zu einem Shootingstar), nebenbei hat er eine Lesebühne mit u.a. Moses Wolff und außerdem ist er unregelmäßig an Poetryslams beteiligt. Theussl wahre Kunst ist jedoch das Liedermachen: fernab vom Austropop-Kitsch kreiert er kleine, größtenteils melancholische Stücke in österreichischer Mundart, die oft leichtfüßig daherkommen und in menschlichen Tragödien enden. Theussl macht die schönste Trigger-Musik für latent Schwermütige die man sich vorstellen kann. Da kann man nur, in Anlehnung an einen Theussl-Titel, sagen: "i muass net theussl hörn um depressiv zu weadn".
Diesen Gemütszustand kann man schon erreichen, wenn man aus Versehen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, wie es Käthe Lachmann aus Hamburg passiert ist, deren schärfste Waffe wohl ihr loses Mundwerk ist. Die Sprachcouleur von tragischen Persönlichkeiten, denen man in Zügen beim Siechen zusehen muss, beherrscht Lachmann fast besser als die eigene Zunge. Apropos! Themenwechsel! ZDF! Es wird unheimlich: der Saal ist erfüllt von der unheimlichen Ahnung, Andrea Kiewel könnte jeden Moment erscheinen, vom Schein eines Kohlenfeuers beleuchtet, wie eine böse Abart der Zahnfee, die nicht die alten, losen Zähne abholt sondern den Kindern die gesunden Beißerchen aus den Kiefern bricht, sie sich selbst einsetzt und dann in fremden Zungen Zähnen spricht. Keine schöne Vorstellung. Eine gute jedoch ist das, was die Lachmann da abliefert.
Offiziell, informativ und endgültig urlaublich wird es dann noch in der zweiten Hälfte der Show: die Regierung des glorreichen Königreichs Malokko setzt alles darein, den Tourismus im eigenen Land anzukurbeln und schickt einen Diplomaten vor, der dem, was malokkanische Belange angeht, eher ungebildeten Publikum einen Lichtbildvortrag darbietet über Land und Leute und besonders über seinen schönen und gütigen Herrscher Don Juan Campos, eine wirkliche Ausnahmepersönlichkeit, deren Lebensweg jüngst in den Kinofilm „Die pinke Entrückung“ gegossen wurde. Der Vortrag des Diplomaten erzeugt offene Münder beim Publikum, außerdem unwillkürliches Applaudieren und hoffentlich noch eine schöne Summe in den Staatskassen. Wir jedenfalls entbieten unseren Gruß nach Malokko und sagen „Ga'ac Launn!“ (malokk. für „Viel Glück!“)
Wer jetzt meint, das wäre alles gewesen, wer vermutet, nach Unterhaltung und Information (Stichwort: Infotainment) könne nichts mehr kommen, der fällt an diesem Punkt endgültig vom Stuhl, denn hinter dem schweren Vorhang und auf Nebelschwaden windsurfend kommt wie ein ferner Traum Ivo Lotion hervor und singt zur Melodie von Gnarls Barkley ein sehr schönes Lied über Menschen. Dieser dramaturgische Kniff mit dem sexuell anregenden Song am Ende eines wunderbaren Abends ist weise gewählt und nun fällt selbst der Bürgermeister aus dem Jackett und tanzt, wild und ekstatisch zuckend zur Musik, die von Ivo Lotion auf einem Handfunkgerät gespielt und mit einer Mischung aus Grönemeyer- und Joe-Cocker-Manier gesungen wird. Dabei sieht er aus wie Lou Reed. Der Ivo, wenn er singt. Nicht der Bürgermeister, wenn er tanzt.
Ich bin mir sicher: in vielen Jahrhunderten einmal, in den Chroniken der Welt, da wird über diese „Maien-Ausgab der des Egersdœrfers seiner Artverwandten im MMXIV A.D.“ von „einem superplusknorken Event“ berichten werden. Davon darf man ruhig ausgehen.