Leidensbrüder, Leidensschwestern,
es war ja so, dass sich bei den November-Artverwandten wieder eine Stoßstrüppin pointengeiler ("was hat das mit Comedy zu tun ?"), rezeptiv nur schwach belastbarer Schabraken die Ärsche breitgesessen hat und durch infantiles Gezeter Aufmerksamkeit heischte.
Die gute Nachricht: Die kommen bestimmt nicht nochmal, die aufwändige Pulverbeschichtung ihrer Fingernägel lässt ihnen keine Zeit mehr für was anderes. Ein Hoch auf die chemische Industrie!
A propos Lack: Bird Berlin hat seine Brust probeweise mit VW-Autolack in wonderworld-Lila veredeln lassen und brummt jetzt deutlich mehr beim Ansingen folgender Gäste:
Ohne künstliche Fingernägel, aber mit Echthaarperücke:
Lisa Politt, die Urkabarettistin aus Hamburg an der Donau, Betreiberin des "Polittbüro Hamburg, die Mumu des Duos "Herrchens Frauchen" jetzt solo!
"Wie geht's uns denn?" hat sie ihr Programm genannt: Eine Familienaufstellung, eine Abrechnung, eine kriminaltechnische Untersuchung brutal verschossener Worthülsen, sogar mit Heidi Klum und Hannelore Kohl drin.
Außerdem gibt's auf die Ohren von Frank Grischek.
Der steht schon seit Jahrzehnten auf der Bühne und stützt sich virtuos und anmutig auf seine Quetsche, mit der er Jochen Busse und Henning Venske eine Dekade begleitet hat und in dieser Zeit allerdings insgesamt nur etwa 8-12 Wörter verbraucht hat.
Dieser stoische und souveräne, "hinreißend beleidigte" (Dieter Hildebrandt) Hamburger Musikkabarettist mit dem staubtrocknen Humor und dem facettenreichen Akkordeonspiel ist nun endlich Gast bei den Artverwandten, jetzt, wo er schon sein zweites Soloprogramm ("Der kann das") am Start hat.
Naja und klar:
Carmen will sich nicht mit nur einem Adoptivkind zufrieden geben und hat eine Stiftung gegründet.
Ahmet ist inzwischen so politisch unkorrekt, dass es mit der Empörung ganz bestimmt auch wieder ganz prima klappt!
Und der Moll sagt, er hat jetzt schon alle Wahlnüsse verbuddelt und hätte eigentlich Zeit für einen öffentlichen Winterschlaf, weshalb er sehr gerne zugesagt hat.
Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
VVK: 13.00 € / ermäßigt: 8.00 €
Alte Lebkuchenweisheit: nach der Weihnacht ist vor der Weihnacht. Während draußen Nürnbergs Nebel mit Weihrauch ringt, Rentiernasen auf dem Hauptmarkt marodieren, das Volk mit Glühwasser und Fleischsalat im Weckla vollgepumpt wird, nimmt uns das KOMM wie eine heimelige Krippe auf, an diesem 8. Dezember. Zum Stalle wird uns der große Festsaal, bis zum Rande gefüllt mit Leuten, darunter finden sich sowohl Maschinenführer als auch Mannheimer, zudem unterfränkische Buchstabenverweigerer. Und wo all die anderen herkommen - du willst es nicht wissen.
Maestro M. Friedr. Egersdörfer eröffnet den ganzen Kladderadatsch, wirkt aufgeräumt, leichtfüßig und elegant wie eine neuerworbene Manufaktum-Hängekommode. Überhaupt kennzeichnet den Reigen der Artverwandten insgesamt und sämtlich ein einziges Wort: Höchstleistung.
Wir wissen nicht, wie viele Hektotonnen Glitzer Bird Berlin in seiner Wohnung gehortet hat. Sobald er freilich die Bühne betritt, wird offenbar: von einem Mangel sind wir noch weit entfernt. Wie eine Sonne, die auf der unermesslichen Südsee Funken sprüht, in nichts als Nackt & Neon gekleidet, singend wie ein vergoldetes Windspiel – Bird ist eine Erscheinung: leicht wie ein entfesselter Ballon, massiv wie eine turnende Kirchenorgel und zugleich so elastisch wie ein komplette Kautschukplantage. Eigentlich ist es physikalisch unmöglich, wie dieser Mann sich bewegt. Umso begrüßenswerter, dass seine musikalischen Ansagen von Mal zu Mal länger und vielschichtiger werden, sich auch ein komplettes Liedlein untermischt, das uns außerordentlich wohl gefällt. Und zwar mit Ausfallschritt sogar.
Matthias „SpuSi“ Egersdörfer selbst macht vor wie's richtig geht: einfach ultragenau hinschauen, laserscharf nachdenken, in unsterblich perfekte Worte packen und praktisch schon fast beinah hochdeutsch aussprechen – fertig. So einfach ist das. Meister E. bohrt eine Brücke vom Hamburger Hauptbahnhof zum Geldautomaten im Sparkassenkabuff an der U-Bahn-Passage, bringt Bach und Mozart ins Spiel und kehrt geschwind die Tüte auf links, so dass wir alle die Gemeinheit erkennen, die wie Flusen, Staub und Popel in den Falten unserer schönen Geldwelt nistet.
Es folgt der nächste Sprung durch die Dimensionen, ein fundamental über sich selbst hinaus gewachsener Ahmed Iscitürk greift zum Mikrofon und hält Gericht. Er packt das geistige Zwergentum am Sack und knackt die enthirnte Schale der Political Correctness. Ruhig und groß steht er, treffsicher und pointiert wie ein Stachelrochen spricht er. Der Gostambuler Kalauerprinz hat sich gewandelt zum metropolen Satiredirektor, dem Anschein nach ganz mühelos und aus unerschöpflichem Einfallsreichtum gespeist. Das macht uns rattenscharf nach Iscitürk, dem ersten Vorsitzenden der „BAFDALON – Berufstätige Ausländer für die Ausweisung Langzeitarbeitsloser Ostnazis“. We cry more, more, more!
Lisa Politt lässt keine Sekunde lang Zweifel daran aufkommen, dass sie einhundertein Prozent Talent plus Bühnenerfahrung im Umfang des Hamburger Containerhafens in sich dingst. Sie gestikul-, tirill- und expressiert einem frisch gepfefferten Fohlen gleich, pendelt geschickt zwischen nordflachdeutschen Landschuljugendanekdoten und politischer Belehrungspredigt. Bedauerlich nur, dass sie scheint's komplett auf einer Linie mit dem Publikum liegt, denn sie rennt mit Volldampf durch eine sperrangelweit offenstehende Tür nach der anderen, so dass es weniger knallt noch kracht als erwartet. Die Vorstellung, Politt würde von der Bühne herab einen Pegida-Mob oder eine CSU-Parteitagshorde intellektuell in die Luft jagen, beschert mir einen besinnlich-wohligen Schauerlauf das Rückgrat hinunter.
Tief und mitten in den Magen des Abends gebettet: eine göttliche Wurst, zum hineinlegen, sich damit einreiben, darin baden. Die Buchstabenwurst nämlich, die dem Philipp Balthasar Moll seinem erlauchten Mündlein entfleucht, gewürzt und gesotten von der tausendundeins rosa Nashörnern, die in dem Moll seinem Kopf drinnen womöglich Tag und Nacht fuhrwerken und rabunkeln, dass dieser Mann ohne Aussetzer gar so transgalaktisch schöne Dinge sagen kann! Seid verflucht, Ihr „kleingeistigen Zwetschgenmännlein in der Weihnachtsverwaltung des Magistrats“, wenn Ihr nicht einmal das Christkind erkennt, obschon seine bezaubernde Hälfte vor Euch steht!
Die Bühnenbretter bogen sich bereits unter gar so vielen paradiesisch schönen Schatzamphoren, dass das größte Wunder beinahe alles gesprengt hätte: aus Hamburg (ca. 42 Einwohner) ein unbegleitetes, wenn gleich volljähriges Akkordeon. Ihm stak im Balg ein Mann, welchen es verschluckt hatte. Oben schaute Frank Grischeks Kopf heraus, dessen Hände beiderseits wie die Windhunde des Satans über die Tasten hetzten. Quetschentrockenen Ansagen folgte überlichtschnelle Musik. Und tief drinnen, in dem Mensch-Akkordeon-Hybridgerät klopfte ein fröhliches Herz den Takt, hold entrückend!
Apropos Paradies und alles gesprengt: ganz nah und dicht wurd´s, als Carmen beschloss, mit 72 Lesben ein Mösenleckerparadies zu gründen, indem sie ihren Göttergatten samt Festsaal per Knopfdruck in Hackschnitzel verwandeln würde. Aber der Sprengstoff einer Ehe erwies sich stärker als scheußliche lila Oberteile oder psychotische Suizid-Geilheit.
Weiter geht’s am 12. Januar und wenn nicht der Teufel mit seinen Griffeln dazwischen geht, wird’s noch dreimal so schön werden, weil: die Richtung zeigt exakt hinauf. Und zwar, wie wir dem gespielten Witz entnehmen durften, in einen Himmel, der voll der rosinenfreien Stollen hängt! Dreimal so schön