Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
VVK: 13.00 € / ermäßigt: 8.00 €
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Das geniale Cartoonisten-Gespann Hauck und Bauer, Träger des Deutschen Karikaturenpreises, sowie Thomas Lienenlüke, Comedy-Autor zahlreicher Fernsehsendungen und Kabarettprogramme (z. B. Satire-Gipfel, Derblecken auf dem Münchner Nockherberg).
Ebenfalls mit von der Partie sind der zum Kult avancierende Praktikant Philipp Moll, die unterwürfige Gespielin Carmen sowie - nach der bestandenen Feuertaufe im Oktober - Egersdörfers Ehefrau, die geistreiche und nicht minder scharfzüngige Kunsthistorikerin Natalie de Ligt mit ihrer Rubrik „Der Frau ihr Welt“.
Durch einen heiter-bissigen Abend führt das einer bunt-verrückten Popwelt entsprungene „Nummerngirl“ Bird Berlin (Sänger und Tänzer Bernd Pflaum).
Hin und her wogte das Getümmel, und in den Tagen, die dem 12. November voraus gingen, war unklar, wer den Kampf gewinnen würde: das Adrenalin, welches heiß durch die Rohrleitungen des Kreislaufs schießt, ausgeschüttet und losgelassen unmittelbar vor Beginn einer Vorstellung, die ganz groß zu werden versprach, - oder die schwarze Galle, die herauf brodelt aus den Schründen des Unbefriedigenden, des halbgegarten Halbangebrannten und schlecht Hingeworfenen.
Wehe, wenn sie frei gelassen, Egersdörfer und seine Artgenossen! dachte ich mir, als ich das KOMM betrat, bloß schon zwanzig Minuten später hatte sich der Himmel aufgetan und ein großes Halleluja! blinkte über dem Grand Hotel am Bahnhofsplatz zu Nürnberg. Im Saal vibrierte es, das Volk stand von Anfang an kurz vor Überschreitung der Grenze zur Pfingsterweckung. Jeder Platz war besetzt – zumindest all jene, die ich aus meiner Position in der zweiten Reihe sehen konnte. Ich hatte keine Lust, den Kopf zu drehen, denn dies hätte keinstenfalls ein anderes Resultat gezeitigt: niemand sitzt bei Egers gerne in der ersten Reihe, und dieselbe war bereits bis zum Bersten vollgestopft ...
Der Alleinherrscher des Abends, *Matthias Egersdörfer* war atombombenbrutal gut gelaunt. Geradezu mit kindischer Elastizität hüpfte er über die Bühne, funkensprühend vor Energie und Inspiration – glasklar einer, der weiß, wie's geht. Nachdem schon zusätzliche Stühle eilends herbei geschafft werden hatten müssen, war die Atmosphäre im großen Festsaal von der ersten Sekunde an mit Begeisterung und Jubel gesättigt.
Den leichten Stich im Herzen, welchen die Nachricht, dass *Bird Berlin* leider erkrankt sei, sprich, „es ihm das Gestell zusammen gehaut“ habe, nachdem er bei der vorherigen Vorstellung „zum Niederknien“, wie Meister Egersd. schwärmte, schön getanzt und gesungen hatte, steckten alle widerwillig, jedoch schnell weg (den Stich, siehe Satzanfang).
Liebster Birdy – ein Saal voller liebender Menschen sandte Dir eine fette Psi-Welle gedanklicher Genesungsenergie! Fühle Dich im Geiste unzählig oft gedrückt und werde ganz schnell wieder gesund, damit Du wieder singen und tanzen kannst, Du fabulöses Nummerngirl!
Ein leichter Stich – schnell verheilt und entschwunden, denn Matthias Friedrich Egersdörfer zeigte nun in absolut überragender Manier, was er auf der Platte hat. Seine Nummer über U-Bahnfahrer und fahrerlose U-Bahnen, über die sieben furzenden Engel der Apokalypse und den Styx im Untergrund der Stadt, über griechische Mythologie und die VGN, über Rotz und automatische Klatscher, fehlerfreie Cyborgs auf dem Sofa und die grauenerregende Überflüssigmachung des Menschen an sich – das war nicht nur eine Liebeserklärung, eine soziologische Doktorarbeit und eine Nürnberger Antike in Einem. Das war schlichtweg und im eigentlichen Sinne des Wortes: genial. Es tut mir sehr leid, denn grundsätzlich versuche ich, diesen Begriff ja zu vermeiden, aber es bleibt mir nix anderes übrig: genial – nicht mehr und nicht weniger. Danke, Meister!
Es betrat nun der Praktikant den Schauplatz des Artverwandtentreffens: *Philipp B. Moll*. Moll trauert, trauert um die versunkene Welt an sich, und um eine, die gerade im Begriff ist, zu versinken. Dreier Lehrmeister gedachte er, dreier alter Handwerker, vermutlich längst zu Staub und Duft zerfallen, nach Holz, Leder, Zigarrenstumpen und Altemännersabber.
Der letzte, auf den Moll zu sprechen kam, war der Hausmeister des „Adolf-Hitler-Gymnasiums extrem rechts der Pegnitz“. Von gewissen Scharmützeln berichtete er, die von jugendlichen Kunstadepten mit dem manisch Fahrräder beseitigenden Pedell ausgefochten wurden, doch an dieser Stelle seines Vortrages geschah etwas Fürchterliches …
[Die Überlieferung reißt hier leider plötzlich ab, die Aufzeichnungen sind auf einmal lückenhaft. Denn diverse Akten wurden von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, in Vorbereitung auf den großen Plagiatsprozess Moll / Egersdörfer, welche Auseinandersetzung sich um eine Anekdote dreht, in der ein in zwei Hälften geflextes und anschließend verkehrt herum zusammen geschweißtes Klapprad ein unabkömmliches Indiz abgibt. Laut einem Sprecher des UN-Gerichtshofs in Den Haag will keiner der beiden Laufer Recken diese Episode je zuvor auf der Bühne zur Sprache gebracht haben, wogegen es jedoch Zeugenaussagen gibt. Eine Kaffeefahrt in die Niederlande sei möglicher Weise geplant, erklärte ebenfalls der Sprecher, die Zeugen allerdings hätten schon Fluchtversuche angekündigt und würden vorsichtshalber erst einmal übel bedroht. Die Ausrede, es habe sich um eine kongeniale Schau in Vorwärtsrichtung der Zeit gehandelt, sei ridikulös, niemand werde gegen seinen Willen in den Straßengraben der Zukunft geschleudert. Wir halten Sie auf dem Laufenden! Und schon scheinen die technischen Probleme behoben worden zu sein, deshalb bitten wir um Entschuldigung und fahren fort im laufenden Programm.]
… anfangs, die Mollsche Marienerscheinung einschließlich Haiku zum Usambaraveilchen, sowie ein paar beiläufige Bemerkungen zum aktiven wie passiven Wahlrecht für Frauen (ab 1918), als auch die Erwähnung von Loriots Geburtstag (1923), - all dies wurde irgendwie nicht recht gewürdigt, das war nicht, was die Leute hören wollten.
Hören wollten sie die Standardantwort auf sämtliche Konfliktanträge seitens des pubertierenden Sohnes, die Molls Vater demselben mit auf den Lebensweg gab: „Ist doch mir wurscht!“
Und gerne lauschten sie auch der filigran wie ein Fabergé-Ei gebastelten Schnurre über den kinderhütenden Sattler oder den „Bankel-Schorsch“, der die elementare Bedeutung der Langsamkeit tausend Mal besser verstanden hatte als jeder aufgeblasene Nadolny.
Denn wenn Moll trauert, dann läuft er zu Bestform auf, er findet dann das richtige Kabel im Wirrwarr, um die Schönheit der Vergänglichkeit direkt in die Seelen seiner Zuhörer zu funken.
Weine nicht, kleiner Philipp! Du bist nicht alleine. Keiner von uns wird diesem beschissenen Schlamassel mit heiler Haut entkommen! Solange aber Moll noch seine Miniatur-Epen drechselt, ist nicht alles verloren. Daher die nachdrückliche Empfehlung: weiter so!
Nicht unerwähnt sollte dabei bleiben dreierlei: Erstens: Moll trägt neuerdings ein herrlich herrschaftliches Hemd, weiß mit roten Streifen, genäht aus der Mitgift seiner Großmutter. Zweitens: in diesem Hemd lässt er sich nach absolviertem Vorsingen auf eines der omnipräsenten Bühnensofas fallen, wo er während der restlichen Show saumäßig gekonnt sitzen bleibt. Und drittens: Molls Buch „Blumen und Wurst“ enthält angeblich nicht das Wort „Usambaraveilchen“, aber zur Sicherheit sollten das so viele Menschen wie möglich selbst nachprüfen!
„Total super!“ setze sich der Auftrieb fort. So beispiellos eloquent nämlich äußerte sich *Thomas Lienenlüke* im Interview zu fast jeder Frage, die ihm der größte Inquisiteur aller Zeiten, ein gewisser Matthias E. aus F., stellte.
Letzterer, bekanntlich ein Bühnengigant, schien sogar ein wenig abzurücken vom Fernsehmann Lienenlüke, welcher selbiger in den freien Raum mehr als aufrückte und mit seinem Arm die Rückenlehne des Liegemöbels demonstrativ leger und komplett belegte, wie ein ganzes Dutzend Liegestühle am Hotelpool – oder lag das nur an meiner demolierten Perspektive?
Nun – so leid es mir, als einem, der sich seit 1000 Jahren einer nationalsozialistischen Erfindung zur Verblödung und Gleichschaltung viehähnlicher Massen, dem Fernsehen nämlich total verschließt, so total, dass sich das gar niemand ausmalen wagt, tut (siehe „leid“ weiter oben) – in Herrn Lienenlükes Gebaren und Vortrag schien mir ab und zu ein wenig zuviel Selbstgefälligkeit aufzublitzen, beobachtete ich – freilich rein subjektiv und durch meine ureigene Birne gefiltert – ein Fehlen jeglicher Selbstironie, dafür aber den nackten Wunsch, als genial zu gelten und gebührend bewundert zu werden.
Lienenlükes Song über die Hochbegabung des Kindes Malte, welche sich am Ende doch nur als eine Ausgeburt der Phantasie des Vaters entpuppt, möchte am Ende vielleicht sogar mehr über den Sänger selbst sagen als über den abgeschmackten Themenkomplex von den jungen Eltern, die nerven mit angeblichen Heldentaten ihrer Kinder. Wir kennen das und haben zuletzt darüber gelacht, als das Fernsehen noch frühmorgens mit dem Fahrrad ausgeliefert wurde.
Traurige Schinkenbrötchen, nahezu standardmäßiges Ostwestfalen-Bashing, dicke Frauen mit Brille, Gruppensex in der Provinz – hm. Bei mir jedenfalls funktioniert der Reflex nicht, den man antrainiert bekommen haben muss, um über so etwas zu lachen, ohne zu wissen, warum. Solche Stereotypen nähren in mir vor allem die Vorfreude auf Nummern, die danach kommen.
Eine „deformatio professionalis“ (Fredder Wanoth) scheint mir hier vorzuliegen – Lienenlüke ist erfolgreich und steckt deshalb ganz tief drin im Geschäft der Massenproduktion von massenkompatibler Unterhaltung für massenhaft Vollidioten vor den Mattscheiben. Der Schornsteinfeger wird schwarz vom Ruß, da kann man nix gegen machen, phrasendrosch nicht nur mein Großvater. Irgendwann ist einer, der immerhin beim großen Rudi Carrell seine Karriere begann, dann einfach soweit, dass er alle „total super“ findet: Sabine Christiansen ebenso wie Tim Mälzer oder Joachim Fuchsberger. Alle „total super“, weil bekannt aus Funk und Fernsehen. Kurzschluss klassikus.
Soweit ist einer, dass er Lieder über Jack-Wolfskin-Jacken und Deutschlehrer und Nachhaltigkeitsfanatiker und Fernreisen dichtet und damit langweilt, weil man dieses Genörgel und diese Gehässigkeit längst über hat. Ist nix konstruktiv, da nur besserwisserische Krittelei. Da mag sich einer nicht entscheiden, ob er politisch korrekt oder das Gegenteil sein will. Opium für ein Volk ist das, das im Grunde eine Hera Lind ebenso wenig wie einen Bushido verdient hat.
Lustig und originell sind allenfalls dann doch einige kleine Einstreuungen wie „Arschloch-Magnet“, die wie feine Nüsse in einem faden Kuchen aus Sägemehl stecken. Unbestreitbar, dass Lienenlüke beeindruckend gut Klavier spielt, die Story vom Zyankali im ehedem „unbepflanzten Blumenbeet“ ist auch relativ subtil konstruiert, und es stimmt auf der anderen Seite schon, dass bei Egersdörfer und seinen Anverwandten ein „knüppelhartes Publikum“ zusammenklumpt.
Bloß bitte! Man spricht doch in Franken unter keinen Umständen in ein offenes Mikrofon, dass „Köstritzer Bier lecker“ sei! Jedenfalls wenn, ja wenn man halt nicht im Geiste schon beim nächsten Werbeblock Halt gemacht hätte …
Rio Reiser gab uns schon vor vielen langen Jahren den bis heute absolut gültigen Hinweis: mach kaputt, was dich kaputt mach. Meine Empfehlung: pack fest zu mit beiden Händen, nimm den Fernsehapparat, das Fenster dort drüben, es ist weit geöffnet …
*Hauk & Bauer* - zum dritten mal bereits zu Gast bei den Egersdörfers ihrem Buben und zum dritten Mal umwerfend und nahezu ohne Fehl noch Schwäche. Natürlich könnte man zwar bemängeln, dass No. 23 etwas weniger Lacher als die übrigen 751 Witzzeichnungen erntete, aber das ist nur ein ekelhaftes Luxusproblem.
Wieso funktioniert er so gut, diese gemeinsame Lektüre von Cartoons auf einer Live-Bühne? Nun: zum einen sind Text und Kritzeleien an sich und gleichermaßen gut – exakt auf das reduziert, was sie zeigen sollen, ohne jeden überflüssigen Strich. Der Betrachter erkennt die Situation mühelos sofort und unzweideutig wieder, in der sich die langnasigen Figuren befinden und sich unweigerlich idiotisch verhalten. Auf eben diese Idiotie wird jedoch nicht mit dem überheblichen Finger gezeigt, hämischer Spott ist hier unerwünscht. Es ist jene Idiotie, die ständig passiert, die uns ständig an unseren Mitmenschen nervt, genauso wie wir mit unserer eigenen Blödheit ständig unsere Umgebung nerven, und dieses Versagen aller Erkenntnis zum Trotz dennoch nie abstellen können, genauso wie Regen und Wind. Also lachen wir darüber – was sonst sollte man schon machen?
Denn – und dies zum anderen – auch die kongeniale Vertonung ihres Opus' durch das Duo selbst stimmt in jeder Hinsicht: Tonfall, Tempo, Stimmimitation, Geschau. Danke Hauk & Bauer. In Nürnberg habt Ihr längst einen Stein im Brett.
In der Pause gab es Gelegenheit, die anwesende Prominenz beim Sandwich-Erwerb zu begaffen. Denn ja: wie sellmals in Robrocks zugiger Halle, draußen in Muggenhof, gibt es jetzt wieder Nahrung im Angebot. KÖSTLICHE Häppchen fürwahr, und wenn womöglich noch eine Alternative zum gräußlichen Weißenoher Bier ausbaldowert werden könnte, wären die „Artverwandten“ schon beinah so rundum perfekt wie das Paradies. Die Technik diesmal übrigens war eben dieses schon, namentlich Beleuchtungskommandant Klaus, der Held von der Steckdose für die verschusselten Comic-Fritzen, und Andi am Tonmischapparat, der die Lautsprecher kein einziges Mal pfeifen ließ. Jedenfalls liefen sie alle auf und schau, sowohl Bildhauer Rösner als auch Ex-Redakteur Radlmaier, sowohl Smul Meier (Fast zu Fürth), Gymmick (frischgebackener Preisträger für Kultur und Dings der Stadt Nürnberg) als auch Maske (Opernhaus) boten ihre irdischen Edelkörper dem schaulustigen Pöbel zur gefälligen Betrachtung.
Ma. Friedr. Egrdfr. konnte es offenkundig kaum erwarten, dass es weiter geht – er ist in der Tat in ausgezeichneter Verfassung, und angesichts der fulminanten Ouvertüre verzeihe sogar ich ihm, dass er sich in einen Auszug aus seinem aktuellen Programm hinein tobt und turnt, das wir natürlich schon kennen, eine der besten Passagen immerhin, die von der Weiberwirtschaft handelt, welche über seiner Kindheit toste und donnerte, wie ein schrecklicher Taifun im Frauenhaus. Obgleich nur aus Versehen, so erwarb er dabei jene beiden wichtigsten Kunstfertigkeiten, die späterhin im Wesentlichen seinen beruflichen Erfolg bedingten: das pausenlose ohrenbetäubende Geschrei seitens der Mutter, wiewohl den Hang zu ausgedehntem Mittagsschlaf und unermüdlichen Umherreisens seitens seines Vaters, welcher als hausflüchtiger Handelsvertreter anschaffte. Ein bemerkenswertes Lehrstück der Schicksalsmächte, gewissermaßen!
Nächstens an der Reihe ist niemand anders als *Natalie de Ligt*, sie erschwebt sich gleichsam die Bühne, gekleidet wie der Gatte in eine rote, bei ihr freilich mit selbstbewusster Stärke spannende Bluse, zum schwarzen Kostüm, so dass der „de Ligt ihr Mann“ dasteht, wie eine enthaarte Karikatur dieser Zauberfee. Nicht einmal gemerkt gehabt haben will der grobe Klotz bei der Show im Oktober, dass schon damals das Ehegespons im Partnerlook erschienen war.
Frau de Ligt kennt die Herausforderung, die etwa auch Musiker oder Romanciers fürchten, die Hürde des zweiten Werkes, im Falle, wenn das erste bereits in den Himmel gehoben wurde. Die Erwartungen des Publikums: ins Unermessliche geschraubt, der Grat: schmal, der Ast: dünn. Neider lauern hinter allen Hecken, um sich schon beim geringsten Wackeln oder Straucheln mit Hyänengeheul auf den Star zu stürzen. Und warum sollte es de Ligt anders ergehen?
Die Antwort ist einfach: weil sie sich der Herausforderung gewachsen zeigt. Was sie nämlich abliefert ist ein wunderbar feinfühliger und hochintelligenter Blick durch die Gefühlslupe auf eine, die einen neuen Arbeitsplatz antritt, und der Blitz möge all jene beim Defäkieren vaporisieren, die nicht wissen, wie unangenehm sich das neue Büro, die neuen Kollegen, der neue Chef, der neue Schreibtisch und der neue Gehaltszettel sich anfühlen, wie eine kratzige Igelfelljacke auf nackter Haut. Vor allem, wenn man dessen gründlich entwöhnt war. Sagte ich hochintelligent? Ja – das meinte ich auch so, aber hier findet sich auch der einzige Pferdefuß des kleinen Referates de Ligts: vielleicht wäre es noch etwas leichtfüßiger (sic!) gegangen, wenn es weniger Fremdwörter gehabt hätte, wenn die Schachtel-Wurm-Endlos-Sätze etwas weniger verschachtelt und verwurmt gewesen wären, etwas früher mit einem Punkt geendet hätten. Vielleicht. Ansonsten ganz tadellos und den Verstand liebkosend. Oder eben buchstäblich: „total super“.
Jedem Abschied wohnt ein Zaudern inne, sagte einmal irgendjemand, und auch der diesmalige Komikerauftrieb geht nicht einfach hinten aus, ohne einen mordstrümmer Schlussstein verpasst zu bekommen. Ein Brocken von Kalauer gespielt vom Meister E. und niemandem anderes als seiner elendiglich bezaubernden Partnerin Carmen, die sich bei ihren Auftritten in der breiteren Öffentlichkeit (Norma, Bahnhof, Mops) hinter dem Pseudonym *Claudia Schulz* versteckt. Eine Doppelpointe sogar wird vor unseren ungläubig knisternden Ohren nur so daher gebügelt, dass es ganz arg weh tut – und so wie amerikanische Forscher an Wandanstrichen arbeiten, die schwärzer als alles bisher bekannte schwarz sein sollen („Forscher kreieren das schwärzeste Schwarz aller Zeiten“, Spiegel online, Wissenschaft, 17.01.2008), erlebt der Saal wohl einen der flachesten Herrenwitze, der je gerissen wurde. Auf eines kann man sich verlassen: wer auch immer im Verlauf des Abends bei Egersdörfer das Gastrecht eines Auftritts missbraucht – den schlechtesten Scherz behält sich der Gastgeber höchstselbst für den Abgang auf, wie den Zipfel Hirnwurst am Schlachtschüsseltag.
Was bliebe noch zu vermerken, um den Dienst an der Vollständigkeit mit Bravour zu absolvieren? Was muss unbedingt zukünftigen Generationen überliefert werden, damit diese lebensfähig bleiben?
Ungezähltes, freilich! Frau Grüner aus Ebach, beispielsweise war anwesend, die ENTZÜCKENDE Wirtin des gleichfarbigen Gasthauses, die gewisse Gewährsleute mit der öffentlichen Bekundung beglückte, sie, Frau Grüner, wäre in diesem Dezember 69 Jahre verheiratet gewesen, wenn sie nicht schon im darauf folgenden März verwitwet wäre. Mit dem Gatten, den sie daraufhin ehelichte, sei sie aber dann immer sehr gut ausgekommen. Egersdörfer jedenfalls gelobte, das Wirtshaus Grüner für ewiglich nur auf Knien zu betreten oder ähnlichen Stuss.
Sollte man noch die sympathische Dame erwähnen, die sich während der Vorstellung ordnungsgemäß beim Chef aufs Klo abmeldete? Und den Mann, der in der ersten Reihe hockte, weil er schlecht sieht, wie er dem schrecklichen Spaziergänger erklärte, und der seine Frau dabei hatte, die er natürlich vor der Heirat nicht abgefühlt hatte, wie Egersdörfer in all seiner Naivität vermutet, weil er, der Mann, dem alle verfügbare Sympathie im Sturm zuflog, damals noch besser gesehen habe und denke, dass sie, seine Frau, sich seitdem nicht wesentlich verändert habe.
Oder dass auch Hauk & Bauer ein neues Buch im Gepäck hatten, das den schönen Titel „Man tut, was man kann: Nix“ trägt?
Und apropos tragen: dass auch der wunderbare Martin Fürbringer Dutzende Frauenherzen zum Erglühen (und einen gehörigen Szenenapplaus zum Aufbranden) brachte, indem er, während er einmal die Bühne flugs wieder freiräumte, sein Bauarbeiter-Dekolleté der Menge entgegen reckte?
Dass die „Affen von dem Deppenheft“, wie der Kolumnist Egersdörfer sein Leib- und Magenperiodikum, den CURT, sowie dessen Macher, mit dem ihn eine innige Männerliebe verbindet, liebevoll nennt, eines seiner roten Hemden versteigern werden?
An und für sich ist bekanntlich jede Einzelheit essentiell, besteht schließlich das Ganze aus seinen Teilen ... Schluss jetzt! Etz langts!
Wir sehen uns wieder am zweiten Dienstag im Dezember, also am 10.12. um 20 Uhr im KOMM, wie bewährt. Und ich muss mich nun sofort nach Bombay verpissen, ein paar Tage im indischen Megamillionen-Höllenchaos ausspannen.