Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
VVK: 13.00 € / ermäßigt: 8.00 €
Liebe Leute:
TschilpTschilp!
musikalisch wird es, das Artverwandtenstelldichein im April:
MAESTRO EGERDSDÖRFER hat sich vom Gesang unserer arischen Vögelchen, der Braunmeise, der Reichsamsel und dem Scheitelstorch inspirieren lassen und deshalb Musikanten in den Festsaal gebeten uns zu erfreuen:
Einen der wenigen Menschen, dem man es nachsehen kann, dass er Bayernfan ist (es ist ihm halt so passiert meingott): nämlich den HELMUT A. BINSER. Dieser BINSER ist angefüllt mit einem lässigen Schalk, der lustig und leicht aus ihm herausquillt mit einer sonoren und tief im Bauch drin sich räkelnden Stimme, da ist jede Barockorgel eine Sumpfunke dagegen. Er hat eine Quetsche und eine Gitarre und auch eine Brille. Und wie er mühelos durch die Flaschenböden seiner Sehhilfe glotzt, so federleicht und selbstverständlich drückt er die Knöpchen und zupft die Saiten seiner Instrumente. Manchmal langsam, manchmal schnell, wie es ihm beliebt.
Es ist – wenn die Säfte steigen – halt so, dass die Musik das Menschliche in uns am bestesten ausdrücken kann und wenn der Überschwang ein Furunkel ist, dann sind GANKINO CIRCUS der Medicus. Mit musikalischer Brillanz und schlafwandlerischer Anarchie zaubern sie Kornkreise der Magie in die wogenden Felder der Volkstümlichkeit. Außerdem sehen sie verdammt gut aus.
Mit dem Einbaum über das Meer gepaddelt ist die Finnin NIGHTBIRD. Dem eifrigen Lotsen Marti Mäkkele ist es zu verdanken, dass wir die innige Musik aus den Wäldern Finnlands zu hören bekommen. Gewürzt mit geriebenen Wurzeln Amerikas, Mondenschein, dunklem Schlamm und Sehnsucht ein Ohrenschmaus, der traurig und froh macht. Siewissenschon.
Außerdem natürlich die bezaubernde CARMEN, der unglaubliche AHMET ISCITÜRK, der hühnenhafte PHILIPP MOLL und der in gelbem Frühlingsflaum tanzende und säuselnde BIRD BERLIN.
Erwartungen liegen wie ein roter Teppich auf den Treppen im altehrwürdigen Komm am 12. April, einem hoffnungsfrohen Frühlingsdienstag. Allesamt erwarten wir etwas voneinander: mit offenen Mündern Zuhörende, Singende und Sprechende. Gleich vorneweg: Das Glück der Erfüllung kannte weder Maß noch Zahl, auch nach Zigtrilliarden Shows ist die Artverwandten-Kiste immer für einen Höhepunkt gut. Grund: der Egers halt.
Zum Auftakt beim Spaziergang durchs zahlreich hingefläzte Volk hält er ein Frisurgericht, das sich „Sie“ schreibt. Das Programm dann musikalisch überbordend und angenehm aufdringlich: zur Frühjahrsoffensive fährt E. alles auf, was zur Show-Aristokratie zählt.
Bird Berlin verspottet sowohl Schwer- als auch Fliehkräfte, indem er, ein aus Glitzer geborener Hypertrophissimus, hummelrundig hüpft, gehüllt in elfenartigen Singsummsang. Zur höchsten Wonne auch diesmal lesend: das neueste Gedicht aus seinem Spezi-Zyklus.
Alle Seelen erquickend schüttet Großpoet und Überdichter Philipp Balthasar Moll ein Füllhörnchen aus, struppig am Kopfe wie ein Räuberlehrling und seine gesundheitlichen Nicklichkeiten lyrisch in den Boden stampfend. Traumhafte Buchstabenschupfen, so liebevoll zusammengewurstelt, als habe er seit dem Schöpfungstag rund um die – damals gar nicht existierende – Uhr daran gefeilt und zusammengepicht. Einzelne Laute wie Meisterwerke, Wörter wie komplette Köchelverzeichnisse, Sätze, die das Bayreuther Festspielhaus aussehen lassen wie den demolierten Mülleimer an einer Bushaltestelle. PBM macht leichtzüngig den nächsten Schritt auf sprachliche terra incognita und errichtet neue Verbalkolonien jenseits der Welt, so wie wir heute über sie sprechen können. Beispiel gefällig? „In asoziale Idiotie hineinvernachtet“ - zum Abschlecken schön!
Gankino Circus sind sowieso woanders her. Kein Mensch weiß, wessen Gesandte sie sind, uns Menschen auf diesem Planeten zu erfreuen, nur so viel ist klar: es handelt sich um eine der unseren absolut überlegene Zivilisation, kulturell fünf Lichtstockwerke höher angesiedelt, praktisch total irre. Der Geilheitsgrad der Musik lässt sich mit Vokabeln kaum beschreiben, die Ansagen sind kongenial und mindestens ebenwütig, wenn nicht außerirdisch. Tadellos gegart, wie ein Dietenhofener Katerfrühstücksei, die Pointen sauber
gebastelt und ohne unnützes Beiwerk abgefeuert. Ein Kleinod im Großod. Blumenherzen rieseln vom Festsaalhimmel. Birdi kann nicht anders, er muss sich darin wälzen.
M. Klaus Friedrich Egersdörfer lehnt sich heute weit heraus, aus seinem Spießerfenster und trägt total süße Supermann-Socken zum ewig selben grauen Langweiler-Anzug. Richtig frech sieht das aus, wie da unter einer trägen Schale ein spontaner Kern herausspitzt. Seine Bühnenpartnerin Carmen a.k.a. Claudia Schulz hingegen in der immer gleichen ödemvioletten Kotzbluse. Unverschämt wie stets, man wundert sich, wo der Meister E. diese unendlichen Mengen Geduld hernimmt, dass er ihr nicht augenblicklich auf der Bühne eine über die Rübe planierraupt. Sodom und Gomorrha, Promi-Sterben – und schon steckt das Ehepaar mittendrin in einem Experiment zum arg nahen Tode. Carmen hat noch nichts erreicht und will nicht sterben, Egersdörfer schifft ins Cabriolet, Dr. Söders heißer Samen wird verhandelt wie die Existenz an sich oder braune Streifen in einer niemals gewechselten Unterhose. Eine sagenhafte Nummer: Komedy rulez!
Stark kontrastierend erscheint eine finnische Dame zwischen all dem blinkenden Brimborium und Verhau der Gerätschaft. Nightbird alias Anna-Stina Jungerstam ist schnell aus Finnland herüber gejettet, um für uns zu singen. Das Raunen der skandinavischen Wälder weht herein: bezaubernder Nordlicht-Blues auf Moosteppich mit Schmerzen.
Meister Matthias Egersd. berichtet aus seiner Kindheit, über die Prinzen, die einst um seine Schwestern buhlten, und fährt üppige Wortbildmalerei auf: metallische Blumen und bebrillte Fische, ein Wüsten-Jeep und vielfarbige Prinzen, Haare so weich wie von einem Dackel – ein phantasmagorischer Starkorgasmus, dabei ist's nur die erste von sieben neuen Folgen vom Betthupferl für den bayrischen Rundfunk.
Ahmed: was soll man da sagen? Weinen möchte man vor Glück – wir erwarten alles und bekommen mehr. Preisträger in Berlin, Sultan von Gostenhof, dickster Schwiegertürke, der wo denkbar. Ein Wonnepickel zum Ausdrücken! Zu hoffen, dass er bald sein eigenes Lied schreibt: „Der Nahtod und meine Mutter“ verhunzt nach Herbert von Schubert.
Wir bleiben auf der Kirchweih und trollen uns ins Bierzelt, wo gerade der Binser die Bühne entert. Der ist blanke Oberpfalz, die so ist wie Finnland, nur noch ein wenig brutaler. Binser ideal mit Bier und Schnupftabak angefüllt, bezaubernd radebrechend in seinem vordertschechischen Sprachimitat, die Liedlein fachgerecht aus Reimen und Lustigkeit gestanzelt, nur einen winzigen Hauch vorhersehbar, dafür umso inbrünstiger geschrammelt. Und obwohl wir sie überhaupt nicht kennen, lieben und bedauern wir seine Mama aus ganzem Herzen. Ein so ein schlauer und fröhlicher und hübscher Bub!
Der gespielte Witz? Meine Herren! Fünfzehn Sekunden, die in einem Abgang sowie auch in eisig-mückenstummer Erstarrung des Publikums enden – und es wert gewesen wären, nicht nur drei, sondern dreihundert Stunden auf diesen Höhepunkt der Show hinzufiebern.